Letztes Jahr dachte ich noch: „Schlimmer geht nimmer.“ Doch in den letzten Tagen öffnete sich sprichwörtlich die Hölle. Ich war überzeugt, gut vorbereitet zu sein, auch wenn ich ein mulmiges Gefühl hatte. Das Wetter spielte Fräulein Panik perfekt in die Karten: Nebel, Regen und Wind erinnerten mich unweigerlich an die Nebelwanderung 2024 am Kitzbüheler Horn. Wie das damals endete? Auf halber Strecke zur Bergbahn, mit einer Panikattacke, die ich nur durch gezielte Ansprache und die Hilfe einer Familie bewältigen konnte. Die ersten drei Tage meines Urlaubs waren also schnell verplant – mit Bummeln und Ablenkung. Doch es dauerte nicht lange, bis Fräulein Panik sich wieder meldete.
Es begann plötzlich, als ich auf den österreichischen Bundesstraßen unterwegs war. Gedanken schlichen sich ein: „Ist das wirklich der richtige Weg?“ „Warum kommt mir niemand entgegen?“ Ich versuchte, meine Angst abzuschütteln, wiederholte mein Mantra: „Nein, du kriegst mich nicht.“ Aber es half kaum. Hatte Fräulein Panik etwa neue Gebiete eingenommen? Suchte sie nach weiteren Abenteuern? Ich weigerte mich, es zu akzeptieren, und beschloss, einfache, vermeintlich sichere Wege zu gehen. Doch selbst die 144 Stufen zu einer Wallfahrtskirche waren erst im zweiten Anlauf zu schaffen – ein beunruhigender Gedanke.
Ich verdrängte die Unsicherheit und zog all die Hörbücher, Skripte und Bücher hervor, die ich in den letzten Monaten regelrecht verschlungen hatte, um vorbereitet zu sein. Hatte ich etwas übersehen? „Nun gut“, sagte ich mir, „geh einfach eine Runde wie letztes Jahr.“ Die Labalm – eine schöne Forststraße mit einem Wanderweg entlang des Flussufers. Perfekt, dachte ich: Viele Wanderer, Autofahrer und Biker. Doch schon beim Losgehen spürte ich sie wieder – die Angst. Beim Gehen, beim Pausieren, bei jedem Schritt. Atemübungen, innere Kämpfe, und Schritt für Schritt versuchte ich voranzukommen.
Es waren 6 Kilometer pro Strecke – körperlich machbar, kein Problem mit der Kondition. Aber mental? Ein Marathon. Nein, ein Triathlon der Gedanken. Ich verfluchte jedes Hörbuch, jede ermutigende Floskel: „Du schaffst das!“ oder „Geh mit deiner Angst, nimm sie an und zeig ihr, wie schön das Leben ist!“ Pustekuchen! Ich versuchte die 4-5-7-Atemmethode, klopfte, hüpfte, probierte die 5er-Methode und sogar das Gemüse-ABC. Nichts half. Aber ich lief weiter, denn ich hatte ein Ziel – und meiner Tochter versprochen, nicht aufzugeben.
Als ich schließlich den Höhepunkt, im wahrsten Sinne des Wortes, erreichte, suchte ich Kontakt zu anderen Wanderern. Eine freundliche Seniorin sah mich und sagte: „Es ist nimmer weit, langsam laufen’s doch.“ Und sie hatte recht. Ich kam an. Ich setzte mich. Doch das Gefühl der Sicherheit blieb aus. Der bestellte Kuchen blieb unberührt, mein Holundersaft fast ungetrunken. Ich überlegte: Soll ich jemanden ansprechen, ob er mich mit hinunternimmt? Autos gab es genug. Doch ich wusste, dass ich es nicht lange dort aushalten würde. Also zahlte ich und machte mich auf den Rückweg.
Der Rückweg – bergab. Dahoam - im Hotel schien noch so weit entfernt. Mein Puls schoss in die Höhe, Fräulein Panik nahm überhand. Und dann kam ein Auto. Automatisch hob sich meine Hand: „Können Sie mich bitte mitnehmen?“ Doch das Auto war voll. Die Insassen schauten mich irritiert an und fuhren einfach weiter. Keine Frage, ob alles in Ordnung sei, keine Reaktion. Ich fühlte mich bemitleidenswert – und doch wusste ich in diesem Moment: Ich schaffe das. Wenn nicht für mich, dann für meine Tochter.
Also ging ich Schritt für Schritt den gleichen Weg zurück. Google Maps belohnte mich alle 300 Meter mit den Worten: „Sie sind auf dem richtigen Weg.“ Seltsam, wie beruhigend das sein kann. Am Ende der 12 Kilometer saß ich im Kneipp-Bad und fragte mich: Wie soll es weitergehen? Wie will ich weiterhin wandern, meinem liebsten Hobby nachgehen? Ich hatte keine Antwort. So saß ich dort – erschöpft, ratlos – und nur eines war klar:
Fräulein Panik ist eine mieser Verräterin!
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